Samstag, 25. April 2020

Warum "Homeschooling" in Zeiten von CoRonA nicht funktionieren KANN (Teil 1)

Als mir diese Überschrift in den Sinn kam, überlegte ich "Moment mal, das erinnert mich doch an etwas..."

Mich hatte einst ein Vortrag der von mir sehr geschätzten Expertin für gehirn-gerechtes Lernen Vera F. Birkenbihl beeindruckt: "Warum Unterricht an deutschen Schulen nicht funktionieren KANN"


Nach erneutem Anschauen kann ich ihn nach wie vor nur als sehenswert empfehlen! (Die extravagante CoRonA-Schreibweise im Titel übrigens erklärt sich hier.)


Homeschooling ist nicht gleich Homeschooling

"Homeschooling" war bis vor Kurzem in Deutschland noch verboten, sozusagen geächtet und gewissermaßen auch verpönt. Nun plötzlich ist es vorübergehender "Normalzustand" für schulpflichtige junge Menschen. Allerdings: Bezeichnungen sind wesentlich. Zu klären, was jeder von uns darunter versteht, ist noch wesentlicher.

Das, was im Moment während der CoRonA-Krise als "Homeschooling" in aller Munde und Medien ist, entspricht nicht dem, was bisher unter Homeschooling zu verstehen war. Intention und Rahmenbedingungen sind grundverschieden. Was momentan stattfindet ist "der Versuch, den Schulunterricht zu Hause zeitweise zu ersetzen". Diese Situation beruht auf keiner freien Entscheidung. Der "Auftraggeber" und "Beaufsichtiger" ist und bleibt die Schule - während dies beim Homeschooling im eigentlichen Sinne die Eltern sind, welche auch (ggf. gemeinsam mit ihrem Nachwuchs) sich bewusst für Homeschooling entschieden haben. 

Was wir uns unter "Homeschooling" konkret und praktisch vorzustellen haben ist weder beim "herkömmlichen Homeschooling", noch beim "CoRonA-Homeschooling" aufgrund der Bezeichnung allein klar! Das ist sehr wichtig zu bedenken.

Ich nehme zunächst einmal den Begriff wörtlich, denn im wörtlichen Sinne verstanden offenbart sich ein aus meiner Sicht bestehendes Grundproblem: In der Beschulung!  

Daher kann ich mich für häusliche Beschulung (klassisches Homeschooling) ebensowenig aussprechen wie für schulische Beschulung - oder auch nun zu CoRonA-Zeiten: Häuslich-schulische Beschulung bzw. Schulische Beschulung zu Hause.


Warum nun kann "CoRonA-Homeschooling" nicht funktionieren? 

Mir ist zunächst wichtig zu betonen: Überall dort, wo junge Menschen mit dem Lernen zu Hause gut zurecht kommen, Freude und Interesse daran haben, es gut und flexibel gestaltet werden kann und nicht zu familiärem Stress und belasteten Beziehungen führt, ist alles bestens. Euch betrifft das Problem des Nichtfunktionierens nicht! Ihr seid vermutlich gerade nicht mit Beschulungsversuchen beschäftigt, sondern mit einer anderen Art und Weise, sich zu bilden ...

Beschulung "funktioniert" nur dort, wo Menschen einander in Rollen begegnen: Erwachsene Menschen schlüpfen in die Rolle des Lehrers (jeder Lehrer in der Schule kennt und spürt - so hoffe ich doch - den Unterschied am eigenen Leibe zwischen seinem Mensch- und Lehrer-Dasein). Erwartet wird von jungen Menschen die Rolle des Schülers (dass dieser sie einnimmt ist jedoch nicht gleichermaßen selbstverständlich). Beschulung "funktioniert" nur dort, wo die Beteiligten ihre Rollen als "Beschulender" und "Beschulter" einnehmen, erfüllen, eventuell sogar verinnerlichen. Sobald einer dies nicht (mehr) tut (aus welchen Gründen auch immer), findet etwas anderes statt ...

Beschulung "funktioniert" eigentlich nur, weil und wenn die extrinsische Motivation der Schüler - also die durch äußere Reize angeregte Motivation - groß genug ist, sich den Erwartungen gemäß zu verhalten. Äußere Reize sind beispielsweise Belohnungen in Form von Lob, Anerkennung, guten Noten oder auch Pluspunkten oder ein "Grün auf der Lernampel" u. a.; das Vermeiden von negativen Konsequenzen wie schlechten Noten, Tadel, Minuspunkte, Zurechtweisungen durch Erwachsene, deren Erwartungen nicht erfüllt werden; oder schlichtweg das "Wissen" um die von außen gesetzte Prämisse, dass es sein muss und nicht anders geht. Diese Aspekte prägen grundlegend die zwischenmenschlichen Beziehungen in der Schule.

Wenn "CoRonA-Homeschooling"(Schulische Beschulung zu Hause) nicht gut funktioniert, könnte das daran liegen, dass ...

... Mütter und Väter in die Rolle des Lehrers schlüpfen oder zu schlüpfen versuchen, was nicht gut gehen kann, weil es die gesunden zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Familie belastet. Nein, ihr Mütter und Väter seid nicht zu doof oder zu blöd oder zu unfähig, um das hinzukriegen: Ihr seid nur einfach echt als Menschen und dürft und müsst dies auch in einem gesunden Familiengefüge sein und bleiben!

... Mütter und Väter nicht in die Rolle des Lehrers zu schlüpfen versuchen. Das ist gut so! Nur so funktioniert Beschulung halt nicht und wenn der junge Mensch sich nicht aus eigenem Antrieb an die Aufgaben setzt oder ohne größeren Widerstand dazu ermutigen lässt (ganz abgesehen von der Frage, ob die zeitlichen und anderweitigen Ressourcen zu seiner Unterstützung bei Mutter und Vater gegeben ist), funktioniert keinerlei "Homeschooling".

... Mütter und Väter versuchen, mit extrinsischen Motivationsreizen zu arbeiten. Wenn dies bisher zum elterlichen Erziehungsstil ohnehin dazugehörte, fällt es zunächst vielleicht nicht so auf, jedoch: Dies (zer)stört sehr wahrscheinlich gesunde (Vertrauens-)Beziehungen und erzeugt familiären Beziehungsstress. Wenn ihr bisher darauf (weitestgehend) verzichtet habt - fangt bitte nicht jetzt damit an! (Jedoch dann funktioniert Beschulung wiederum auch nicht...)

Es könnte noch weitere/andere Gründe geben ... Jedoch lautet die Schlussfolgerung: 

Wenn bei Euch zuhause "Homeschooling" nicht funktioniert, dann liegt das daran, dass es nicht funktionieren KANN! 
 
Daher: Hört auf mit dem, was nicht funktioniert und macht mehr von allem, was gut läuft und gut tut!

Ich finde es durchaus beachtlich, wie verschieden im ganzen Land die Haltungen und Erwartungen von schulischer Seite (wie auch von elterlicher Seite) sein können (von empathischem Mitgefühl und Respekt bis hin zu knallharter Ignoranz ist alles dabei). Junge Menschen als Schüler und Schülerinnen sind quasi einer willkürlichen Behandlung ausgeliefert und haben anscheinend Glück oder Pech, ob sie in ihren Bedürfnissen und Interessen geachtet werden oder nicht (dies ist jedoch nichts Neues seit CoRonA). Sie sind Objekt der Erwartungen der sie umgebenden Erwachsenen. Dieser Zustand kann aus meiner Sicht nicht weiter hingenommen werden! Die CoRonA-Krise sehe ich als Chance, dies zu überdenken und zu überwinden. 

Nun geht es in die nächste Runde "CoRonA-Homeschooling" und mein Plädoyer an Mütter und Väter ist eindeutig: 

Steht auf der Seite Eurer Töchter und Söhne und stellt ihr seelisches, geistiges und körperliches Wohl und ihre Interessen an oberste Stelle. Sie selbst geben den Maßstab dessen vor, was es für ihre Bildung braucht!



* * *


Wer mich gerne unterstützen möchte, kann dies tun nach Klick auf den Ko-fi-Button.
Auch Beratungsanfragen bei Bedarf sind herzlich willkommen.

1 Kommentar:

  1. Liebe Franziska, das ist ein ganz, ganz wunderbarer Beitrag. DANKE, dass Du das so fein "zusammenfasst". Es muss einfach immer wieder und wieder an- und ausgesprochen werden. Danke, dass Du das tust! Alles Liebe, Susanne

    AntwortenLöschen