(Überarbeitete Fassung meines ursprünglichen Beitrags vom 14.04.2020)
Die CoRonA-Krise ist die Chance zum Hinterfragen so einiger Aspekte unseres Schulsystems.
Wollen wir es weiter so haben wie bisher? Diese Frage stellt sich vielleicht mittlerweile die ein oder andere Lehr- oder anderweitig im Unterricht involvierte Fachkraft. Diese Frage stellen sich möglicherweise manche Mütter und Väter. Diese Frage stellen sich hoffentlich einige junge Menschen.
Wenn plötzlich ein Element wegfällt, das keine Wahlmöglichkeiten zuließ, offenbart sich vielleicht dem ein oder anderen die Gelegenheit, selbstwirksam und eigenverantwortlich zu sein. Auf jeden Fall ermöglicht es, sich selbst wieder zu hören und zu spüren und die Frage aus dem tiefsten Innern mit zarter Stimme hervordringen zu lassen: "Will ich es wirklich (noch) so haben wie bisher?"
Es könnte passiert sein, dass ein junger Mensch, der bisher maulend und unmotiviert, inneren Widerstand spürend, die Schulbank gedrückt hat, nun nach ein paar Wochen Schuldistanz und "Homeschooling" sich nach der Schule sehnt, sich auf die Wiederöffnung freut. Wunderbar! Dies macht einen Schulanwesenheitszwang überflüssig, denn er wird gerne und freiwillig zur Schule gehen!
Es könnte passiert sein, dass ein junger Mensch, der sich bisher unwohl in der Schule gefühlt hat, ohne es konkreter greifen und beschreiben zu können, nun mehr zu sich selbst findet - dank neuer Erfahrungen und dank eines durch die Distanz ermöglichten Blickes von außen: Was tut mir (nicht) gut? Was brauche ich (nicht), um mich gut bilden und wohl fühlen zu können? Wunderbar! Er kann sich nun fragen: Was macht der Gedanke an die Wiedereröffnung der Schule mit mir? Und beginnen, darüber zu sprechen (vorausgesetzt, jemand hört ihm zu).
Es könnte passiert sein, dass ein junger Mensch, der bisher mit Angst sich in die Schule gequält hat, nun Erleichterung erfuhr... Was macht der Gedanke an die Wiedereröffnung der Schule mit ihm?
Es könnte passiert sein, dass ein junger Mensch, der sich zuvor massiv gegen die Schule gewehrt hat, durch innere oder äußere Verweigerung, der vielleicht als pathologisch bezeichnet wurde oder als Erziehungshilfefall oder der sich vielleicht die ganze Zeit irgendwie falsch gefühlt hat, auf einmal neue, befreiende Erfahrungen machen konnte, weil plötzlich die bisherigen Normen über den Haufen geworfen wurden... (An dieser Stelle mein Aufruf: Schluss mit der Pathologisierung junger Menschen, die sich nicht in das System fügen! Ihnen gebührt ein echtes Zuhören zur Wahrung ihrer Würde, und Dank, weil sie wertvolle Rückmeldungsgeber sind!)
Es könnte noch vieles anderes passiert sein, so viel Verschiedenes, wie es betroffene Menschen gibt. Doch eine Frage ist für alle interessant - Schüler, Lehr- und andere Fachkräfte, Mütter, Väter:
Was empfinde ich bei dem Gedanken an die Wiederöffnung der Schule?
Freude? Bedauern? Angst? Widerstand? Unwohlsein? Erleichterung? Oder mehreres gleichzeitig? Ambivalenz?
Was sind die Konsequenzen meines Empfindens?
Werdet Ihr Euch zuhören und ernst nehmen, Ihr Leute da draußen? Werdet Ihr Eure Integrität wahren wollen und können? Werdet Ihr Mütter und Väter Euren Töchtern und Söhnen zuhören und sie ernst nehmen? Werdet Ihr an ihrer Seite stehen?
Zwei Artikel las ich in Der Tagesspiegel, der von nicht unkritisiert im Raum stehenden Überlegungen zur Öffnung bzw. (teilweiser) Wiederinbetriebnahme der Schulen berichtete. So wollte sich die Politik von der "Nationalen Akademie der Wissenschaften - Leopoldina" beraten lassen:
„Bildungsbereich schrittweise öffnen“, lautet die Empfehlung, und zwar „sobald wie möglich“. Denn die Krise führe zu einem „massiven Rückgang der Betreuungs-, Lehr- und Lernleistungen“ und verschärfe so auch die soziale Ungleichheit.
Ob diese Befürchtung tatsächlich berechtigt ist, wage ich als offene Frage stehen zu lassen. Auch über die Berechtigung einer Kritik an der Stellungnahme der Leopoldina maße ich mir kein Urteil an. Jedoch die Überlegungen die Schule betreffend fand ich beachtlich und nachdenklich stimmend.
Über weite Strecken ist der Auftrag an die Leopoldina-Forscher untererfüllt geblieben. Bis auf einen Punkt: Der Vorschlag zum Thema Schulschließungen kam so detailliert daher, bis hin zur Empfehlung für Klassengrößen, dass sich der Eindruck der Übererfüllung einstellt. Schulen sollten als erstes geöffnet werden, so der Rat, schrittweise, aber zügig.
Der Tagesspiegel fragt, was auch ich fragen würde:
Warum ausgerechnet die Schulen?
Aber hatten wir nicht erst vor wenigen Wochen gelernt (und akzeptiert), dass der wichtigste Schritt zur Eindämmung des Virus, neben Hygiene und Distanz, das Schließen der Schulen sei? Es war eine richtige Maßnahme ... Warum, so darf man fragen, soll dann die Lockerung beim wohl besten Mittel gegen die Verbreitung von Viren beginnen? Und warum öffnet man partiell Schulen, die wenige Wochen danach wegen der Sommerferien schon wieder geschlossen werden?Zuvor schrieb ich: Wenn es allerdings zu (teilweisen) Wiederöffnungen der Schulen kommen wird, dann bitte unter einer Bedingung: Dass der "Blick in die Realität" des Tagesspiegels nicht nur selektiv stattfindet, sondern ohne Diskriminierung junger Menschen erfolgt! Es ist wunderbar zu lesen:
Blick in die Realität
In einer demokratischen Gesellschaft ist es nie falsch, sich nicht nur Belehrung aus der Wissenschaft zu holen, sondern auch ein bisschen ins wirkliche Leben zu schauen. Nachdem der Groschen gefallen war, und da brauchten sicherlich einige einen obrigkeitlichen Anstoß, sind wir mit der Herausforderung seit Mitte März weitgehend vernünftig umgegangen. Ganz individuell, in der Kleinfamilie, im größeren privaten Umfeld, in den Betrieben haben wir alle unsere eigene Corona-Strategie entwickelt. Selbstschutz spielt dabei eine große Rolle, und die Sorge um Alte und Vorbelastete.Das alles muss nicht streng gelenkt werden. Eine erwachsene Gesellschaft ist mehrheitlich durchaus imstande, auch ohne detaillierte Vorgaben mit solch einer Krise umzugehen.
Das bedeutet, wenn eine Wiederöffnung der Schulen, dann nur unter einer Bedingung:
Dass es hierbei tatsächlich um ein Angebot geht im Sinne des Ermöglichens, sich zu bilden. Des Zurverfügungstellens für all diejenigen Menschen, die dies nun wollen und brauchen!
Umgekehrt formuliert wäre eine Durchsetzung des Schulbesuchs entgegen des Einverständnisses des jungen Menschen und ohne Zustimmung seiner Personensorgeberechtigten inakzeptabel!
Dies ist die allerbeste Gelegenheit, einen ersten Schritt zu tun für einen Wandel unseres Schulsystems, welches zu vielen Menschen aus allen Gruppen der Beteiligten - Schülern, Lehr- und Fachpersonen, Müttern und Vätern - bislang zu viel Leid verschafft hat, hin zu einer Bildungslandschaft, die allen Bildung ermöglicht, in der es den Menschen gut geht (und vermeintlich "bildungsferne Schichten" bald der Vergangenheit angehören).
Allen Menschen, die sich darauf freuen, wieder in die Schule zu gehen bzw. die bereit dazu sind angesichts der aktuellen Lage und der damit verbundenen schützenden Verpflichtungen und Risiken, möge dies mit einer Schulöffnung während der CoRonA-Krise ermöglicht werden!
Der Begriff Schulpflicht sollte endlich in dem Sinne verstanden werden, der dem Bildungsrecht des jungen Menschen dient: als die Pflicht des Staates, Schulen als Möglichkeit sich zu bilden zur Verfügung zu stellen. Als eine Möglichkeit, sofern der junge Mensch nicht eventuell eine für sich bessere Möglichkeit wählen kann und möchte!
Nachhaltige und gesunde Bildungsprozesse setzen Wahlmöglichkeiten, also Freiheit und Freiwilligkeit voraus! (Das wissen Fachleute aus verschiedensten Disziplinen seit langer Zeit!)
Niemand darf für sein Inanspruchnehmen des Treffens einer Wahl pathologisiert oder bestraft werden! Keine Mutter und kein Vater, keine sorgeberechtigte Person darf für den Respekt der Entscheidung eines jungen Menschen, so auch den Respekt eines "Neinsagens" pathologisiert oder bestraft werden!
Die bisherige gewaltsame Praxis muss ein Ende haben! Diesen Reifesprung kann unsere Gesellschaft doch nun endlich machen! (Ich verweise an dieser Stelle auf den Aufruf zu einem Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit: die Initiative "Gewalt? Ohne mich!". (Vielleicht war sie ihrer Zeit 5 Jahre voraus, als sie 2015 gestartet wurde...)
In diesem Sinne:
In einer demokratischen Gesellschaft ist es nie falsch, sich nicht nur an dem Gedanken, es brauche Belehrung, zu orientieren, sondern auch ein bisschen ins wirkliche Leben zu schauen: Was sind die Bedürfnisse und Gefühle derjenigen Menschen, die die Angelegenheit konkret betrifft?! Ganz individuell, in der Kleinfamilie, im größeren privaten Umfeld, innerhalb unserer Gesellschaft haben wir alle unsere eigenen Strategien entwickelt, uns zu bilden und miteinander umzugehen.
Das alles muss und sollte nicht streng gelenkt werden. Eine reifende Gesellschaft ist mehrheitlich durchaus imstande, auch ohne detaillierte Vorgaben mit den Herausforderungen des Lebens und des Sich-Bildens umzugehen.
Wir würden uns über Unterstützung sehr freuen 🙂
AntwortenLöschenHomeschooling legalisieren auch nach Corona.
Unterschreibt und teilt die Petition zum Schutz aller Familien!
https://www.change.org/p/bundesregierung-homeschooling-legalisieren-auch-nach-corona-610cfe7f-717c-45d1-974b-3da17d73469c
vielen Dank :-)