Dieser Brief erschien erstmals im Heft 04/16 des unerzogen-Magazins als Gratis-Artikel.
Sehr
geehrte Frau Ärztin im Gesundheitsamt …
Eine
Mutter berichtet über Erlebnisse bei der Vorschuluntersuchung
Im
Rahmen der obligatorischen Vorschuluntersuchung wurde die 6-jährige
Marie in Begleitung ihrer Mutter beim Gesundheitsamt vorstellig.
Zuerst betraten sie den Raum einer Ärztin, die dem Mädchen
freundlich begegnete, sie zum Hörtest einlud sowie zu einigen
Sehtests, dem Benennen von Bildern, dem Nachzeichnen einfacher
Strichfiguren und ihr ein paar formal-logische Denkaufgaben aus einem
Intelligenztest für Kinder vorlegte. Marie beantwortete die Fragen,
wann sie auf welchem Ohr einen Piepton höre, welche Figuren sie auf
bestimmten Bilderkarten erkenne und in welche Richtung ein kleiner
werdender Buchstabe orientiert sei. Sie gab Antworten, wie die
gezeichneten Gegenstände auf einigen kleinen Bildchen genannt
werden, zeichnete ein Quadrat nach, einen Kreis, ein Kreuz und zeigte
auf die Lösungen der formal-logischen Denkaufgaben.
Anschließend
wurden sie in den Raum einer zweiten Ärztin geschickt. Marie wurde
aufgefordert, einige motorische Dinge vorzuführen, u.a. über einer
Linie mehrfach hin und her zu hüpfen – auf beiden Beinen oder
jeweils einem, wobei sie zweimal angewiesen wurde, weiterzumachen,
wenn sie aufhören wollte – oder mit ihrem Daumen nacheinander die
Finger der selben Hand anzutippen, mal in die eine Richtung, dann in
die andere. Anschließend wurde von Marie verlangt, sich zur weiteren
körperlichen Untersuchung auszuziehen bis aufs Unterhöschen. Sie
wurde mit einem Stethoskop abgehört, ihr wurde mit einem Lämpchen
in die Ohren geschaut. Danach nannte die Ärztin komisch klingende,
erfundene Quatschwörter, die Marie nachsprechen, und andere Wörter,
in denen Buchstaben fehlen, die sie ergänzen sollte. Sie bekam
kleine Holzautos in verschiedenen Farben vorgelegt und sollte das
Rote, das Blaue, das Gelbe, das Grüne zeigen. Den Schluss bildete
eine Aufgabe, in der die Ärztin Sätze nannte, die Marie wiederholen
sollte. Danach war die Untersuchung zu Ende.
Auf
die Frage der Mutter nach dem Verbleib des Arztberichts, der das
Ergebnis einer solchen Untersuchung ist, teilte ihr die Ärztin mit,
dieser werde üblicherweise der zuständigen Schule – und nur
dieser – zugeschickt. Nachhakend, ob sie als Mutter auch ein
Exemplar bekäme, sagte die Ärztin, das müsse dann bei der Schule
angefragt werden. Allerdings wurde, als die Mutter einige Wochen
später der Ärztin die Bitte schrieb, ihr den Arztbericht zu
schicken, ihr dieser umgehend kommentarlos per Post zugesandt.
Im
Arztbrief fand sich ein Kreuzchen bei „Ja“ unter dem Stichwort
Schul- / förderrelevante Hinweise.
Zu diesen war als Bemerkung zu lesen:
„Verhalten:
geringe Bereitschaft zur Mitarbeit, stark eingeschränkte
Kontaktaufnahme, hat die Mitarbeit im Sprach-Test größtenteils
verweigert, sich nur teilweise untersuchen lassen.“
Dies
und nichts Weiteres war die knappe Zusammenfassung der Ärztin
gewesen. Die Mutter schrieb daraufhin der Ärztin einen Brief.
*
* *
Sehr
geehrte Frau Ärztin im Gesundheitsamt,
im
vergangenen Juni wurde meine 6-jährige Tochter Marie bei Ihnen
vorstellig im Rahmen der Vorschuluntersuchung. Diese Begegnung hat
bei mir einen so unguten Eindruck hinterlassen und im Laufe der
Folgezeit wachsende Bedenken geweckt, dass ich mich spätestens nun
nach dem Lesen Ihres Arztbriefes veranlasst sehe, mich noch einmal
mit dieser reflektierenden Rückmeldung an Sie zu wenden. Im Grunde
ist anzunehmen, dass Sie sich nicht mehr an die
Untersuchungssituation erinnern dürften angesichts der vielen
6-Jährigen, die Sie zu inspizieren haben und angesichts der seitdem
vergangenen Zeit (ein halbes Jahr), daher werde ich Ihnen die
Begegnung in Erinnerung rufen. (Allerdings könnte ich auch annehmen
aufgrund einer Ihrer damals getroffenen Aussagen, dass Sie sich
eigentlich sehr gut erinnern müssten.)
Nach
den Aufgaben zur Überprüfung der motorischen Fähigkeiten forderten
Sie meine Tochter auf, sich zur weiteren Untersuchung bis auf das
Unterhöschen auszuziehen. Bis dahin hatte Marie alles mitgemacht und
signalisierte nun an dieser Stelle, dass sie sich nicht ausziehen
wolle: sie senkte und schüttelte den Kopf. Daraufhin hakten Sie
nach: „Doch, das müssen alle Kinder machen.“ Ich fragte meine
Tochter, ob sie bereit sei, sich auszuziehen, woraufhin sie weiterhin
den Kopf schüttelte. Daraufhin regte ich an, die Untersuchung meiner
älteren Tochter vor einigen Jahren (allerdings bei einer anderen
Ärztin) erinnernd, dass Sie sie vielleicht abhören könnten, wenn
sie ihren Pullover hochheben würde. „Nein, ich kann sie sonst
nicht untersuchen“, war Ihre Antwort und weiterhin: „Na komm, im
Schwimmbad ziehst du dich doch auch aus und hier sind doch nur wir.“
Marie war inzwischen vom Stuhl aufgestanden und hatte sich
schutzsuchend an mich geschmiegt. Ich sagte Ihnen, dass ich meiner
Tochter im Vorfeld gesagt habe, die Untersuchung sei nicht schlimm
und sie dürfe, wenn es etwas gab, das sie nicht machen wolle, Nein
sagen. Sie hakten jedoch weiter nach, Marie solle sich ausziehen.
Marie schlang die Arme um meinen Hals und verbarg ihr Gesicht an
meiner Schulter. „Du willst nicht“, fasste ich ihre Botschaft in
Worte.
„Nun
ja“, gaben Sie auf, „darf ich dich dann jetzt einmal abhören?“
Und als Marie wieder zu Ihnen
kam und sich weiter untersuchen ließ, sagten Sie während Sie
meine Tochter untersuchten: „Da hat sie es jetzt geschafft,
ihren Kopf durchzusetzen und die Mama rumzukriegen. Das haben wir
ganz häufig bei Mädchen in dem Alter, dass die sich nicht ausziehen
wollen. Wenn die Väter dabei sind, klappt das aber immer.“
Als
Sie im Folgenden zu der Aufgabe kamen, meiner Tochter die seltsam
klingenden Quatschwörter zu nennen und sie anwiesen, diese
nachzusprechen, senkte sie erneut den Blick und Kopf nach unten und
schwieg. Sie forderten meine Tochter daraufhin weiter auf „Sag
mal...“ und nannten nacheinander all Ihre komisch klingenden Worte,
dabei ignorierend, dass Marie den Kopf gesenkt hielt. Sie schüttelten
den Kopf mit den Worten, also sowas hätten Sie noch nie erlebt. Ich
sagte, Marie sei manchmal eher schüchtern und wahrscheinlich sei es
ihr zu unangenehm, diese fremden, komischen Wörter zu sagen. Sie
erwiderten mit harter Mine Marie anblickend: „Nein, die ist gar
nicht schüchtern. Die weiß ganz genau, was sie tut.“ Und
ergänzten, dass Sie schon seit 20 Jahren Kinder untersuchten und
eine solche Verweigerung noch nie erlebt hätten (daher nehme ich an,
dass Sie sich sehr gut an Marie erinnern müssten!). Sie nannten
Marie die Wörter, in denen Buchstaben fehlten, welche sie richtig
ergänzte, und ließen sie die Farben der bunten Autos benennen, was
sie ebenfalls tat. Als Schlussaufgabe sollte Marie Sätze wiederholen
und senkte auch hier erneut den Kopf. „Die“ mache ja gar nicht
mit, war ihr abschließender Kommentar und dass Sie dies in den
Bericht an die Schule schreiben müssten.
Weshalb
sehe ich mich nun veranlasst Ihnen zu schreiben? Mir persönlich war
schon vor Ort beim Eintreten in Ihr Sprechzimmer sofort der
Unterschied aufgefallen zwischen Ihrer gewissermaßen kühlen
Ausstrahlung im Gegensatz zu der eher warmen Art Ihrer Kollegin. Ich
darf annehmen, dass solche atmosphärischen Eindrücke auch auf
andere Menschen wirken, beispielsweise auch meine Tochter, und ein
mehr oder weniger vertrauensvolles Klima schaffen. Die Qualität
dieses Klimas kann bei empfindsamen und gerade auch bei sehr jungen
Menschen von grundlegender Bedeutung sein. Ich frage mich nun also
nicht nur, wie Sie dazu kommen, meiner Tochter eine „geringe
Bereitschaft zur Mitarbeit“ zu attestieren, nachdem sie bis auf
drei Ausnahmen alle Untersuchungsbausteine mitgemacht
hat. Mir fällt weiterhin auf, dass Sie meiner Tochter eine „stark
eingeschränkte Kontaktaufnahme“ zuschreiben, ohne Ihren eigenen,
und zwar unter Umständen maßgeblichen, Anteil in der
Beziehungsgestaltung der Ärztin-junge Patientin-Beziehung zu
reflektieren – und dies stimmt mich sehr nachdenklich und besorgt!
Kann
es sein, dass eine mangelnde Sozialkompetenz seitens untersuchender
Ärzte auf Kosten junger Menschen gehen kann, indem einseitige und
zweifelhafte Urteile, zumal negative, über letztere gefällt werden,
die möglicherweise verheerende Auswirkungen haben können? Die
Auswirkungen können wir gar nicht abschätzen, wissen wir doch
nicht, wie reflektiert oder unreflektiert nun eine Schule mit solchen
„vertraulichen Arztsachen“ umgeht? Welche Vorurteile oder
Stigmatisierungen werden da in Menschen angeregt, deren Bewertung nun
junge Menschen für weitere Zeit ausgesetzt sind? Es ist aus
sozialpsychologischen Untersuchungen hinlänglich bekannt, dass
beispielsweise die Bewertung desselben Verhaltens ein und desselben
Schülers durch zwei Lehrer sich erheblich unterscheidet, nachdem den
Lehrern unterschiedliche Informationen über den sozialen Hintergrund
dieses Schülers genannt wurden – er stamme entweder aus einer
Akademiker- oder aus einer Arbeiter-Familie. Im Wissen über solche
Zusammenhänge sollten sich Menschen in Ihrer beruflichen Position
ihrer enormen Verantwortung bewusst sein, die darin besteht, sehr
behutsam, sowohl mit den jungen Menschen selbst, als auch mit den
gewonnenen Informationen umzugehen.
Wie
stand es denn, liebe Frau Ärztin im Gesundheitsamt, um Ihre
Kontaktaufnahme meiner Tochter Marie gegenüber? Solange Marie sich
hinsetzte, Ihre Fragen beantwortete und folgsam vor Ihnen
herumhüpfte, spielte die Frage keine wesentliche Rolle. Sie spielte
spätestens dann eine entscheidende Rolle, als Marie signalisierte:
Nein, sie wolle sich nicht ausziehen. Und hier ist das, was mir am
meisten Bauchschmerzen bereitet: Es gibt ganze Aufklärungs- und
Gewalt-Präventions-Programme, die junge Menschen in ihrer
gesundheitserhaltenden Kompetenz zu stärken versuchen, ihre eigenen
Grenzen zu kommunizieren, in denen die zentralen Botschaften lauten:
„Dein Körper gehört dir“ und „Sei stark, sag Nein!“ Vor dem
Hintergrund der Wichtigkeit dieser gewaltpräventiven Maßnahmen ist
Ihr Verhalten, liebe Frau Ärztin, meiner Tochter gegenüber nicht
nur respektlos und unempathisch gewesen, sondern regelrecht
fahrlässig und gefährlich! Hätten Sie nicht eigentlich die
„Verweigerung“ meiner Tochter, sich vor einem fremden Menschen
bis aufs Unterhöschen auszuziehen, als gesunde Reaktion offen
anerkennen und ihr dafür danken müssen? Hätten Sie nicht
mindestens um Maries Vertrauen werben müssen? Möglicherweise hätte
es sein können, dass sie sich sogar dann hätte untersuchen lassen:
wenn etwas mehr Zeit sowie Kontaktaufnahme und Einfühlungsvermögen
von Ihrer Seite gewährt worden wären! Somit ist auch die
Aussage, Marie hätte „sich nur teilweise untersuchen lassen“,
absolut unwahr. Wäre nicht die Feststellung zutreffender gewesen,
Marie habe „sich nicht zur
Untersuchung ausziehen wollen“? Oder: sie habe „sich nicht
halbnackt untersuchen lassen“.
Im
Übrigen habe ich Ihren Kommentar, meine Tochter habe die Mutter nun
rumgekriegt und bei den Vätern klappe das immer, nicht nur als
blödsinnig, sondern auch als äußerst geringschätzend mir
gegenüber empfunden. Wäre die Tatsache nicht umso bedenklicher,
dass junge Mädchen in männlichem Beisein umso schwerer ihre
persönlichen, körperlichen Grenzen aufzeigen und wahren können?
Sollte beispielsweise ein Vater seine Tochter dahin zu drängen
versuchen, sich nun gegen ihren Willen zu Untersuchungszwecken
auszuziehen, wäre es nicht sogar Ihre Aufgabe,
auf die Notwendigkeit des Respekts vor der Entscheidung über den
eigenen Körper hinzuweisen? Über meine persönliche Empörung
aufgrund unserer Begegnung hinaus bin ich allerdings darum regelrecht
besorgt, wie es all jenen jungen Menschen ergehen mag, die jahrein
jahraus Ihrem unfachlichen Vorgehen ausgesetzt sind. Das geht nämlich
noch weiter:
Beim
Sprach-Test, dessen Mitarbeit Marie, wie Sie sagen, „größtenteils
verweigert“ hat, ist mir die Dynamik zwischen meiner Tochter, Ihnen
und den Aufgaben aufgefallen. Marie hat meinem Eindruck nach genau
die beiden Typen von Aufgaben nicht machen wollen, die ihr zu blöd,
peinlich oder unangenehm erschienen, nämlich Quatschwörter
auszusprechen und einfach stupide das nachzusprechen, was Sie ihr
sagen. Eigentlich Reaktionen, die ebenfalls verständlich sind und
denen mit Humor und Ermutigung begegnet werden kann, wie: „Ich
weiß, das klingt wirklich komisch – fand ich auch, als ich die
Wörter das erste Mal gehört habe. Und du kommst dir bestimmt
irgendwie blöd dabei vor – weißt du was: Das geht ganz
vielen Kindern so!“ Statt
meine Tochter anzulügen, sie sei die Einzige, die hier was komisch
findet – und dass sie es nicht ist, weiß ich einfach aus Erfahrung
und Austausch mit anderen Menschen, die in solchen Untersuchungen
waren – hätten Sie ihr die Wahrheit sagen und ihr Vertrauen
gewinnen können. Es ist Ihnen leider nicht gelungen, Kontakt zu
Marie aufzunehmen – und Sie scheinen auch gar nicht daran
interessiert oder darum bemüht gewesen zu sein, sondern haben
schlicht den Test durchgezogen. Interessanterweise hat Marie trotz
Ihres Verhaltens, immer wieder den Kontakt zu Ihnen
wiederaufgenommen, indem sie
sich um die Aufgaben bemüht hat, die ihr eben nicht – aus welchen
Gründen auch immer – zu unangenehm waren.
Würde
diese Untersuchungssituation nun auf Gegenseitigkeit beruhen und
erlaubte ein entsprechendes Feedback von meiner Seite, so würde ich
vermutlich Ihnen als „förderrelavante Hinweise“ an Ihren
Arbeitgeber attestieren:
„Verhalten:
geringe Bereitschaft zur Einfühlung, stark eingeschränkte
Kontaktaufnahmefähigkeit, hat die Signale der Patientin größtenteils
nicht erkannt und nicht darauf einzugehen vermocht, sich nur
teilweise auf die Schaffung einer gelingenden Untersuchung
eingelassen“.
Liebe
Frau Ärztin im Gesundheitsamt, ich kann mir vorstellen, dass ich in
Ihren Ohren hart und gehässig klinge, und es ist mir sehr ernst mit
diesem Brief. Nicht aus Bosheit Ihnen gegenüber heraus. Jedoch ist
es nicht zu dulden, dass junge Menschen dem Risiko ausgesetzt werden
möglicherweise ernsthaften Schaden aus Ihrem Vorgehen zu ziehen –
und dieses Risiko sehe ich hier! Stellen Sie sich weniger
reflektierende Mütter und Väter vor, die hinterher noch ihren
Töchtern und Söhnen die Hölle heiß machen, weil sie nicht
ordentlich mitgemacht haben. Ich erlebte beim damaligen Besuch zur
Vorschuluntersuchung meiner älteren Tochter vom Wartezimmer aus eine
Szene mit, die mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist: Da war ein
kleiner Junge, der anscheinend fast gar nicht mitmachen wollte, der
schrie und weinte. Als die Eltern mit ihm rauskamen, hörte ich sie
nur mit dem Sohn schimpfen und sah sie ihn nach Hause zerren. Welch
Gewalt wird durch den Druck und die Ergebnisse einer solchen
Untersuchung in Eltern erzeugt, die diese dann – natürlich aus
Angst und Hilflosigkeit, na an wen wohl – weitergeben? Darum
spreche ich von einer enormen Verantwortlichkeit, die in Ihren Händen
liegt und Behutsamkeit und Einfühlungsvermögen erfordert, quasi
eine sehr hohe menschliche und kommunikative Kompetenz! Wissen Sie
welche Spuren Ihre Botschaft an meine Tochter in ihrer Seele
hinterlässt, mit ihr stimme etwas nicht, sie sei die erste und
einzige Person während Ihrer 20-jährigen Berufstätigkeit, die sich
nicht ausziehen und keine Quatschwörter nachsprechen will? Wissen
Sie, welche Auswirkungen Ihre Schul- / förderrelevanten
Hinweise haben, nachdem sie in
die Hände der Schule gelangt sind? Würden Sie Ihren „Bericht“
über meine Tochter korrigieren – und dies meine ich nun
stellvertretend für eine Korrektur Ihrer Grundhaltung jungen
Menschen gegenüber –, könnten Sie tatsächlich mit einer
menschlicheren Sicht dem Wohl vieler junger Menschen förderlich
sein. Ich schlage also vor:
„Verhalten:
grundsätzliche Bereitschaft zur Mitarbeit, ist aber glücklicherweise
nicht bereit, in blindem Gehorsam alles mitzumachen; gute Fähigkeit,
Unwohlsein und ein „Nein“ zu signalisieren, könnte Ermutigung
gebrauchen, dies auch verbal deutlich auszudrücken; gesundes
körperliches Abgrenzungsvermögen (wollte sich nicht einfach so
ausziehen bei der Untersuchung).
Tolles
Mädchen! So wie sie alle tolle Menschen sind, finden Sie nicht auch?
Ich
würde mir sehr wünschen, etwas Nachdenklichkeit in Ihnen angeregt
zu haben, danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, die sie meiner
kritischen Rückmeldung geschenkt haben und wünsche Ihnen alles
Gute!
Mit
freundlichen Grüßen
Eine
kritische, nachdenkliche, vielleicht Not-wendig unbequeme Mutter
*
* *
Nach
diesen Erfahrungen möchte Maries Mutter allen Müttern und Vätern
ans Herz legen, wenn möglich nicht allein in solche Untersuchungen
zu gehen, eine Vertrauensperson, eine Freundin, einen Freund als
Begleitung mitzunehmen und sich hinterher den Arztbrief zukommen zu
lassen – denn die Kenntnis der darin enthaltenen Informationen
steht selbstverständlich zuallererst den Menschen zu, die es
betrifft! Der Austausch untereinander zeigt, dass
Vorschuluntersuchungen allseits nicht als unproblematisch erlebt
werden, sondern tendenziell im Gegenteil, daher kann jede mutige bzw.
vielleicht vielmehr unmutige Rückmeldung in Richtung der Ämter und
Ärzte nur begrüßt werden.
Hast Du eine eigene Geschichte dazu oder Fragen an mich?
Schreib mir gerne!
Liebe Franziska,
AntwortenLöschenvielen Dank für diesen großartigen Artikel. Er ist so klug, ehrlich und reflektiert geschrieben und eine echte Bereicherung zu diesem Thema! Aus meinem Austausch mit anderen Familien weiß ich, dass Du sehr richtig mit allen Deinen Einschätzungen liegst. Viele andere Kinder erleben dasselbe wie Marie und sie reagieren natürlich ganz ähnlich - wenn sie gestärkt aufwachsen und psychisch gesund sind - mit (teilweiser) gesunder Verweigerung. (Übrigens genau bei den Quetschwörtern und dem Ausziehen...) Marie und Du, Ihr habt toll reagiert und ich gratuliere Dir zu so einer starken, klugen und offenen Tochter und ihr zu so einer starken, klugen und besonnenen Mutter. Ich hoffe, dass der Artikel weite Kreise zieht, ich denke er trifft einen wichtigen Nerv und es wird Zeit für die vielen Ärzte und Ärztinnen in den Gesundheitsämtern ihre 20-jährige Praxis, auf die sie so stolz zu sein scheinen, endlich einmal zu hinterfragen. Liebe Grüße aus Berlin, Nadja