Anlaufstelle bei Sorgen um das Kindeswohl

Während Personen, die im Rahmen ihrer Berufstätigkeit mit heranwachsenden Menschen zu tun haben, berechtigt oder sogar verpflichtet sind, Beratung bei einer "insoweit erfahrenen Fachkraft" in Anspruch zu nehmen und eine gemeinsame Gefährdungseinschätzung zu machen, gibt es für Privatpersonen kaum Anlaufstellen, wenn diese sich um das Wohl eines jungen Menschen sorgen bzw. Anhaltspunkte für eine Gefährdung wahrnehmen. 

Darüber hinaus liegt der Fokus beim "Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung" in der Regel auf einer Gefährdung im familiären Umfeld.  

Werden Anhaltspunkte für eine Gefährdung in anderen Kontexten als dem familiären Umfeld gesehen, befürchtet oder vermutet, gibt es meines Wissens nach kaum Anlaufstellen (ich selbst habe keine konkrete gefunden, bin für gegenteilige Hinweise dankbar!).

Weshalb sehe ich hier Bedarf?

Erstens bekomme ich wieder und wieder Situationen mit, in denen Heranwachsende Gewalt erfahren und sie selbst und ihre Begleitpersonen keine Anlaufstellen finden, wo sie sich unterstützt fühlen. Dies Problem werde ich natürlich nicht lösen können, möchte aber dazu beitragen, dass betroffene Menschen auch in schwierigen und aussichtslos erscheinenden Situationen sich wieder als handlungs- und gestaltungsfähig erleben.

Zweitens bin ich der Ansicht, dass in der Frage der Gewalt gegenüber heranwachsenden Menschen letztlich jeder einzelne ein Stück Verantwortung trägt und daher mitgestaltungsfähig ist. Sie geht weit über die der individuellen, persönlichen Gewalt hinaus, also der Gewalt zwischen Personen (z.B. Müttern/Vätern/ErzieherInnen/LehrerInnen gegenüber Heranwachsenden). Sie geht weit über die der körperlichen, konkret sichtbaren Gewalt hinaus (dies ist nur "die Spitze der Spitze eines Eisbergs"). Sie betrifft die strukturelle Gewalt - seien es die gesetzlichen Strukturen einerseits, unsere Denkstrukturen andererseits - an deren Gestaltung jeder einzelne Mensch beteiligt ist. Das derzeitig gängige Konzept des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung greift viel zu kurz und ist aufgrund seines eingeengten Fokus nicht imstande, dem Problem der Gewalt gegenüber Heranwachsenden effektiv und nachhaltig wirkungsvoll zu begegnen. Zu einer Erweiterung des Fokus möchte ich beitragen.
 
Drittens möchte ich auf zwei Ebenen wirksam sein: Einerseits darin, konkret in ihren eigenen Situationen Menschen zu unterstützen. Andererseits darin, den Fokus von der individuellen Betroffenheit auf den der gesellschaftlichen Betroffenheit zu lenken und damit zu einem grundsätzlichen Wandel beizutragen. Es kann daher sinnvoll sein, individuelle Einzelfallgeschichten zu sammeln und anonymisiert zu veröffentlichen: als beispielhaft und stellvertretend für eine Grundsatzproblematik. Wer sich an mich wendet, kann mit seiner Geschichte zu einer Geschichtensammlung beitragen, wenn er möchte.

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